Felsen, Bergen, Wälder soweit das Augen reicht. 5:00 Uhr in Gosau. Eine richtig lange Tour wartet auf uns. Immerhin 1350 effiziente Höhenmeter und insgesamt knapp 14 Kilometer Strecke.
Von Mathias, unserem lokalen Ansprechpartner wissen wir, dass in jeder Felswand unzählige Kletterrouten in allen Schwierigkeitsgraden stecken. Das glauben wir sofort. Vom gut gesicherten Plaisirs Klettereien sind bis hin zu anspruchsvollen Mehrseillängenrouten für hoch ambitionierte Felskletterer. Liebhaber der Wand-Kraxelei mit hohem Thrillfaktor können sich an einem der zahlreichen Klettersteige ihren Adrenalinschub holen.Und der Clou: die Felsen fühlen sich hier fantastisch an. Kein Bröselstein wie im Allgäu. Dieser Kalkstein ist massiv – manchmal weich gespült vom ewigen Eis und dem Wasserkreislauf, manchmal scharfkantig wie ein Messer. Wir sind auch Kletterer, aber dieses Gebiet war bisher nicht auf unserem Radar. Das wird sich ab sofort ändern. Eine famose Entdeckung! Das Dachstein Salzkammergut entpuppt sich als ein Abenteuerspielplatz mit unzählig vielen Möglichkeiten.
Jeder unserer Schritte auf einem der faszinierendsten Hüttenaufsteigen der Alpen offenbart die Schönheit dieser Bergregion auf eine vielfältige Weise. Und mit jedem Schritt nimmt uns diese Landschaft mehr und mehr für sich gefangen. Und als wenn das Panorama nicht schon ausgereicht hätte, um uns für diese Bergwelt zu begeistern, dürfen wir etwas erleben, was nur alle Schaltjahr mal vorkommt: die massive Schneeschmelze in kurzer Zeit lässt den hinteren in den vorderen Gosausee überlaufen. So entsteht eine leuchtend, grasgrüne Wasserlandschaft. Atemberaubend schön ist das. Wir zeigen dem Wasser die kalte Schulter und nehmen ein genussvolles Bad in diesem Bergwald, tauchen tief in diese fantastische Licht-Schatten-Szenerie und üppige Vegetation ein.
Nach 1 ½ Stunden lichtet sich der Wald und erste Schneefelder kündigen den Aufstieg an. Die Adamekhütte (2196m) muss irgendwo da oben sein. Es trennen uns noch immer geschmeidige 1100 Höhenmeter und 6-7 Kilometer Aufstieg, der uns in eine hochalpine Bergwelt von monochromer Schönheit entführen wird. Der Blick hinab ins Tal wird mit jedem Schritt überwältigender.
Auf nur 2200 Meter über dem Meer treffen wir nach 5 ½ Stunden auf den unteren Rand des Gosau-Gletschers. Eingerahmt von einem prächtigen Bergmassiv aus Dachstein, Mitterspitze, Hoher Schneebergwand, die alle dem Gletscher Schatten spenden. Nicht genug, um die Sonne, die jetzt am späten Vormittag hier oben schon zügellos vom wolkenlosen Sommer-Himmel brennt, daran zu hindern, die Schneedecke Zentimeter um Zentimeter weg zu schmelzen. Allein in den letzten zwei Wochen hat sie eine 5-6 Meter dicke Schneedecke, die über dem ewigen Eis lag, widerstandslos in Wasser verwandelt. Wasser, das sich jetzt unbeirrt seinen Weg durch das verzweigte, unterirdische Höhlensystem des Dachsteinkalks ins Gosautal bahnt. Bei unserem Aufstieg erleben wir, welch ausdauernde Kraft und bezaubernde Schönheit es besitzt. Tosend laut, wenn es steil hinabstürzt, die Gischt weiß wie der Schnee. Plätschernd leicht, wenn es uns erfrischend über den Weg läuft und lautlos im sanften Morgenlicht, als spiegelglatte Oberfläche des vorderen und hinteren Gosausees. Die Ufer der beiden Seen verwandelt es in eine verlockende Lagune. Türkis-grün, kristallklar – einladend sieht das aus, aber wir wissen, der Schein trügt – diese Seen sind aus eiskaltem Gletscherwasser gespeist und nichts für unsere zarten Gemüter. Wir werden unsere Meinung im Lauf des Tages noch ändern…
Hans Gapp – ein Dachstein-Urgestein, Hüttenwirt und leidenschaftlicher Bergführer, in der Welt unterwegs und hier zuhause, begrüßt uns in seinem Revier. Ganz allein sind wir hier oben mit ihm und seiner Mannschaft. Das spritzige Holundersaftschorle, das er uns zur Begrüßung reicht, nehmen wir nach dem langen Aufstieg nur zu gerne an. Es zischt uns an diesem heißen Tag geradezu die Kehle hinunter. Der frühen Morgenstunde geschuldet, sind wir ohne Frühstück und Jause aufgebrochen. Wasser ist Leben und selten schmeckt es so gut, wie in diesem Augenblick.
Wir genießen die Stille hier oben und die beeindruckende Kulisse. Lassen uns von Hans erklären, was welcher Gipfel ist. Laden unsere Akkus bei jedem Biss der köstlichen Spaghetti Carbonara auf und begreifen, dass hier nicht nur eine faszinierende Bergarena liegt, sondern auch hier oben am Gosaugletscher jede Felswand unzählige Kletterrouten bereithält. Wahrlich ein Eldorado für Liebhaber der Vertikalen. Zu gerne würden wir verweilen, die Zeit vergessen, aber der Abstieg wartet. 1350 Höhenmeter und knapp 14 Kilometer in der jetzt gleißenden Sommerhitze. Die beiden Seen liegen wie zwei Aquamarins verlockend am Fuße der Berge. Wir rollen den Steig hinunter. Halten nur an, um vom köstlich-kühlen Bergwasser zu trinken, die Stirn und den Nacken zu kühlen. Wieder an den Seen angelangt, machen wir, was wir heute Morgen noch für unmöglich gehalten haben. Wir tauchen ein ins Gletschernass. Ringen nach Atem und spüren das Kribbeln am ganzen Körper als die Muskeln nach der langen Anstrengung entspannen. Was ein Privileg hier zu sein und mit allen Sinnen diese Bergwelt zu genießen. Erfrischt geht es auf die letzten Kilometer wieder durch den Märchenwald, der auch in der Abendstimmung mit einem fantastischen Licht- und Schattenspiel aufwartet. Wieder sind wir ganz allein unterwegs. Den Dachstein und seine Nachbargipfel im Rücken.
Zurück im Hotel gibt es eine Dusche. Und noch mehr Quellwasser zum Trinken. Es kommt direkt aus dem Wasserhahn und hat denselben Weg hinter sich, den wir heute gegangen sind. Es kommt aus einem ewigen Kreislauf zwischen Meer, Luft und Land bei dem kein Tropfen verloren geht. Wasser ist Leben und im Dachstein Salzkammergut lässt sich das auf besonders vielfältige Art und Weise erleben.
Tour Fakten:
Start am Parkplatz (gebührenfrei) am Vorderer Gonausee.
Strecke einfach, ca. 14 KM. 6 Km an den Seen entlang mit ca. 200 HM, anschließend langer Anstieg auf schmalem Steig bis zur Adamekhütte (ÖAV). Der Weg ist markiert – verirren bei gutem Wetter ausgeschlossen. 1350 HM. Der Aufstieg nach Kondition 5 bis 7 Stunden Gehzeit. Aller et retour an einem Tag - 12 bis 14 Stunden -ist nur für ambitionierte Wanderer machbar, die Seen locken am Ende des Tages mit einem erfrischenden Bad.
Unser Tipp: reichlich Wasser (2Liter) und Brotzeit mitnehmen, denn unterwegs gibt es keine Einkehrmöglichkeit. Umso besser schmecken die Spaghetti auf der Hütte!
Mehr zur Tour und Adamekhütte: www.adamekhuette.at
Berggefühl, Juli 2019